Nach fast einer Woche Entspannung in Sibiu war es am Montag, dem 23.11., dann doch Zeit aufzubrechen. Unser nächstes Ziel war die etwa 180 km entfernt liegende Stadt Brasov. Am ersten Tag schafften wir, wegen unseres späten Aufbruchs, nur noch wenig mehr als 30 km. Außerdem war es wirklich kalt und der Weg zum Teil sehr matschig. Der Zeltplatz, den wir kurz vor der Dämmerung aufgetan haben, wurde am Abend noch von dem ein oder anderen Hund besucht, war ansonsten aber wirklich schön.
Am nächsten Morgen war uns im Schlafsack zwar warm, aber außerhalb war es bitterkalt. Zumindest konnten wir dem Matschweg und den meisten Höhenmetern entfliehen indem wir den Dammweg an der Alt genommen haben. Auf Komoot war dieser zwar nur ein schwarzer Strich, was normalerweise unbefahrbaren Wanderwegen vorbehalten ist, im echten Leben war er aber geschottert und gut zu befahren. Nach einem verfrorenen Frühstück am Fluss haben wir uns entschieden der Alt noch bis nach Fagaras zu folgen und dort ein Hostelzimmer zu nehmen.
In Fagaras angekommen haben wir es uns im Hostel gemütlich gemacht und uns über den trockenen und etwas wärmeren Ort gefreut. Beim Kochen ist meinem Göttergatten ein Sparschäler in die Hände gefallen, der definitiv Erwähnung verdient hat. Wer würde in einem Ort in Siebenbürgen mit knapp 30.000 Einwohnern schon mit einem nicht nur westdeutschen, sondern sogar aus Solingen stammenden Sparschäler rechnen?
Am nächsten Tag lagen bis zum Hostel in Brasov 80 km vor uns. 80 km, die hauptsächlich aus Steigung und einem unberechenbaren Stück „losem Untergrund“ bestanden. Um uns das erheblich zu erleichtern, haben wir eine Autowaschanlage aufgesucht. Wir haben unsere Räder von dem Schlamm befreit, der bereits vor Sibiu angefangen hat, unsere Ketten und Bremsen schleifen und unsere Schutzbleche verstopfen zu lassen. Außerdem haben wir Bremsen getauscht und Schaltungen neu eingestellt.
In frischem Glanz ging es jetzt bedeutend leichter weiter. Zu unserer großen Freude hat sich die Sonne gezeigt und uns ein bisschen Wärme gespendet. Auf dem Weg nach Brasov mussten wir die Ausläufer der Karpaten passieren. Wir haben im Lauf des Tages sogar die Schneegrenze passiert. Neben vielen Straßenhunden, die uns gefolgt sind, haben wir auch hier wieder einige Pferdewagen gesehen. Da wir versucht haben die Hauptstraße zu meiden, hat uns der Weg durch einige Dörfer geführt. Pferdewagen, Holzkirchen, einfache Steinhäuser und Holzöfen beherrschten hier das Bild. Glücklicherweise war der unbefestigte Weg ziemlich ausgefahrener Dreck und hat uns nicht aufgehalten.
Die etwa 50 km andauernde Steigung spitzte sich am Ende noch einmal zu. Zum Glück waren es nur noch wenige Meter bis zum höchsten Punkt unserer Strecke. In Rumänien ist es als Radfahrer Pflicht außerhalb von Städten eine Warnweste zu tragen. Immerhin hat es sich gelohnt sie mitzunehmen, da wir sie endlich benutzen konnten.
Als am Nachmittag die Sonne hinter den Bergen verschwand und wir uns noch immer oberhalb der Schneegrenze befanden wurde es wirklich kalt. Wir haben uns in die wärmsten verfügbaren Sachen gepackt und uns an die Abfahrt gemacht. Währenddessen ist es dunkel geworden, aber glücklicherweise war es nicht mehr weit bis nach Brasov.
Verfehlen konnten wir die Stadt glücklicherweise nicht. Als wir an der Jugendstube, unserem Hostel, angekommen sind, haben wir erst einmal unsere Sachen abgeladen und sind dann durch die Straßen gezogen um uns etwas zu Essen zu besorgen. Auf unserem Beutezug haben wir entdeckt, dass Brasov einen beleuchteten Schriftzug am Berg hat. Bei einer Wanderung haben wir später herausgefunden, dass die Buchstaben mehr als fünf Meter hoch sind.
Am kommenden Tag haben wir die Altstadt erkundet und einige Besorgungen gemacht. Obwohl wir am 17.12. bereits unser AirBnB in Istanbul beziehen wollten, haben wir uns ein paar Tage Zeit für die Stadt genommen. Es gibt einige Kirchen und vor allem viele Gassen zu besichtigen. Außerdem gibt es hier eine Menge Stände mit Essen, dass wir noch nie gesehen haben. Wir haben Kürtos Kalacs probiert, das ähnlich Baumkuchen ist. Hefeteig, der um Metallzylinder gewickelt wird, wie Stockbrot, mit Zucker bestreut und dann am Drehspieß, wie Brathähnchen, karamellisiert wird. Anschließend in Zimt uns Zucker, Nüssen oder sonst etwas gewälzt, schmeckt die Süßspeise ausgezeichnet.
Am nächsten Tag haben wir einen Bus nach Bran genommen. Dort steht ein Schloss, das mit Dracula in Verbindung gebracht wird. Leider können wir das Schloss nicht besichtigen, da Besucher in den engen Räumen nicht zugelassen sind. Wir begnügen uns damit das Schloss von außen zu betrachten. Allerdings finde ich recht enttäuschend, dass das Gebäude eigentlich garnichts mit dem Vampirfürsten zu tun hat. Es ähnelt nur der Burg aus der Erzählung.
Immerhin haben wir mittels Komoot eine schöne Wanderung gefunden, die uns den Aufenthalt in Bran versüßt. Wir stiegen auf den dem Schloss gegenüberliegenden Hügel und genossen den Ausblick über die Täler der Karpaten. Die Wanderung war zwar nur kurz, aber dafür recht steil. Glücklicherweise war das Wetter fantastisch. Zurück im Dorf haben wir uns mit einer Suppe und typischem Nachtisch belohnt.
Am folgenden Tag sind wir extra früh aufgestanden, um eine längere Wanderung um Brasov zu machen. Wir hatten vor, ein paar schöne Fotos zu machen, wurden aber von dichtem Nebel daran gehindert. Außerdem hatten wir manchmal Schwierigkeiten mit dem Weg, der durch den Schnee und das Eis recht rutschig war.
Obwohl wir ganze zwei Pausen gemacht haben, in denen wir unsere Lunchpakete verschlungen haben, sind wir bereits am frühen Nachmittag in die Stadt zurückgekehrt. Wir haben uns nochmal Kürtos Kalacs gekauft und diese mit Milchreis garniert und als Nachmittagssnack gegessen. Zum Tee haben wir uns mit Bernhard Moestl getroffen, den wir über Couchsurfing kennengelernt haben. Wir haben Reiseerfahrungen ausgetauscht. Bernhard hat in uns das Fernweh nach Asien ein weiteres Mal entfacht. Wir haben ein paar sehr schöne Stunden verbracht und sogar einen Tipp für typisches Abendessen in Brasov bekommen. Diesen haben wir auch sogleich wahrgenommen und in der Casa Romaneasca dinniert.
Schon einen Tag später stand unser Aufbruch an. Da wir bereits um 11 fertig mit Packen waren, der Zug, den wir nach Bukarest gebucht hatten, aber erst nach 13 Uhr abfuhr, haben wir uns vorher nochmal mit Bernhard verabredet. Als es dann doch Zeit wurde aufzubrechen, haben wir uns schweren Herzens von der schönen Stadt verabschiedet. Die Zugfahrt war problemlos, die Fahrräder sicher verstaut hat uns der Zug langsam aber sicher über die Berge gebracht.
In Bukarest haben wir einen Host mit Hund gefunden. Wir haben für Mircea und uns gekocht und einen netten gemeinsamen Abend verbracht. Die Nacht war etwas unruhig, da Mascha, der Pitbull, immerzu zwischen Andi und mir auf der Isomatte schlafen wollte, was jedes Mal mit Rumtrampeln auf uns einher ging. Trotzdem waren wir dankbar für die warme und trockene Nacht.
Da in Bukarest entgegen unseren bisherigen Informationen keine Quarantäne herrscht, haben wir uns für die kommenden zwei Nächte noch ein Hostel im Zentrum gebucht. Von dort aus sind wir mehr oder weniger ziellos durch die Stadt marschiert. Wir haben einige Orte gesehen, die wir unbedingt nochmal besuchen wollen, wenn Corona vorbei ist. Beispielsweise ein halb unterirdisches Restaurant in einem Innenhof.
Am zweiten Tag führte uns unsere Wanderung durch die Straßen ins Regierungsviertel Bukarests. Neben einigen gut gesicherten, prunkvollen Gebäuden, die die Regierung beherbergten, gab es auch die Catedrala Mantuirii Neamului, die auf Grund von Bauarbeiten aber ebenfalls unbetretbar war. Wir hatten also leider nicht die Chance irgendetwas von innen zu besichtigen, haben uns aber auf „das nächste Mal“ vertröstet.
Am nächsten Mittag haben wir einen Zug in die Küstenstadt Constanta gebucht. Von allen sechs Zügen, die an diesem Tag dorthin fuhren, hatte keiner ein Fahrradabteil. Wir haben also beschlossen unsere Räder auseinander zu bauen und in Einzelteilen mitzunehmen. Das ging leider nicht, sondern wir mussten nochmal Erwachsenentickets für die beiden Fahrräder kaufen. Auch das hat nur geklappt, weil Andrada, unsere Gastgeberin aus Sibiu sich telefonisch für uns eingesetzt hat. An diesem Punkt waren wir aber froh, dass es überhaupt irgendwie geklappt hat.
In Constanta haben wir eine Nacht in einem Guesthouse verbracht. Mittlerweile war der 3.12. und wir wollten immernoch am 17. in Istanbul sein. Unser Plan sah also vor, an der Küste entlang Bulgarien zu durchqueren und dann so fix wie möglich in die Türkei zu kommen. Wir sind also hoch motiviert aufgebrochen. Wir haben noch einen Schlenker eingelegt um das Casino, die Sehenswürdigkeit von Constanta anzusehen. Wir mussten leider feststellen, dass es wegen Bauarbeiten eingehüllt ist.
Wir haben versucht, uns immer nah an der Küste zu halten. Das hat uns den ein oder anderen guten Blick beschert. Allerdings hatte das den Nachteil, dass wir an einigen Stellen keine Chance hatten der Bundesstraße auszuweichen. Nur selten gab es an der Küste eine Promenade, auf der wir hätten fahren können, aber wenn es eine gab, haben wir es ausgenutzt.
Nach etwa 25 km hatten wir das Gefühl wirklich gut voranzukommen. Dann sind wir im Schlamm stecken geblieben, oder besser gesagt, der Schlamm ist in uns stecken geblieben. Lehm hat unsere Reifen verklebt und sie immer wieder blockieren lassen. Dann hatte ich auch noch einen Platten. Immer wieder mussten wir unser Gepäck abschnallen, unsere Fahrräder umdrehen und die Reifen abbauen um den Schlamm loszuwerden. Bis zur einsetzenden Dämmerung haben wir so kaum noch etwas geschafft, aber immerhin haben wir einen vernünftigen Schlafplatz an einem verlassenden Strandrestaurant gefunden.
Am folgenden Morgen bestand unsere erste Aufgabe mal wieder im Dreck entfernen und Reifen flicken. Wir sind also erst recht spät aufgebrochen. Da wir bereits am nächsten Abend in Varna in Bulgarien einen Host hatten und bis dahin noch etwa 150 km vor uns lagen, mussten wir uns wirklich ran halten. Tatsächlich haben wir kurz nach dem Zeltplatz einen relativ gut befahrbaren Weg am Meer gefunden. Dabei sind wir auf ein altes Schiffswrack gestoßen.
In der letzten Stadt vor der Grenze, in Vama Veche, wollten wir unser restliches rumänisches Geld loswerden. Wir haben uns Brot, Wurst und Unmengen von Keksen gekauft. Wir haben, als wir endlich an der Grenze ankamen, erst knapp 40 km geschafft und es wurde bereits langsam dunkel. Zum Glück bekommen wir keine Probleme mit der Grenzwache.
Damit ist unser Aufenthalt in Rumänien vorbei und es gibt kein Zurück, denn die Grenze ist nur einseitig geöffnet. Aber wir werden wieder kommen, dass haben wir zumindest Claudia und Mihail und auch Andrada und Mitch versprochen.
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