Am Mittag des 20.10.2020 haben wir Zakopane in Richtung Slowakei verlassen. Wir haben uns gestärkt von einem Zabka-Hotdog (Zabka ist ein kleiner Supermarkt, wie Rewe-to-go, der auch Sonntags geöffnet hat) auf den Weg über die Hohe Tatra gemacht. Tatsächlich war es gar nicht so anstrengend, da der meiste Schnee bereits geschmolzen und die Straßen nicht sehr steil und gut asphaltiert waren. Da sind wir sehr gut vorangekommen und haben bereits am Nachmittag die Grenze zur Slowakei überquert.

Für Mittwoch Abend haben wir uns mit einem Host in Spisska Bela über Couchsurfing verabredet, da wir nach dem Erkämpfen der Hohen Tatra nur noch 25 km bergab vor uns hatten, konnten wir schon bevor es dunkel wurde auf etwa 1000 m Höhe unser Zelt zum ersten Mal in der Slowakei aufschlagen. Das war ein Fehler, denn es war unheimlich kalt dort oben auf dem Berg und wir haben uns versprochen von nun an immer im Tal zu schlafen.

Trotzdem waren wir am nächsten Morgen guter Dinge, wir haben einen letzten Blick auf die Berge geworfen und uns dann an die Abfahrt gemacht.

Ein ganzer Tag nur rollen, das dachten wir zumindest bis uns der Gegenwind mit voller Wucht getroffen hat. Dennoch sind wir guter Dinge am Mittag bei Filip eingetrudelt und haben uns dann Spisska Bela angesehen (nicht, dass es hier besonders viel zu sehen gäbe) und sind recht schnell mit vollen Einkaufstaschen wieder zu Filip gegangen. Mit selbstgezogenem Gemüse und unseren Eroberungen vom Tesco haben Andi und ich ein durch die Kochkunst unserer indischen Hosts inspiriertes Gericht gekocht. Zum Essen haben wir gemeinsam Friends geschaut und uns bis zum Anschlag vollgestopft und dabei nicht mal die Hälfte des Essens geschafft.

Unser Aufbruch lief ganz gut, zumindest waren wir schneller abfahrbereit als jemals zuvor. Eben weil wir aber so unfassbar motiviert waren und um kurz nach neun bereits unterwegs waren um uns zuerst etwas zu Essen zu besorgen und dann die 80 km Wald bis nach Presov in Angriff zu nehmen, mussten wir schmerzhaft erkennen, dass in der Slowakei wegen Corona zwischen 8 und 11 Uhr nur Senioren einkaufen gehen dürfen. Schlimm genug, dass wir (oder eher ich) jetzt hungrig sein mussten, zu allem Überfluss hat uns Komoot durch die Hölle geschickt. Damit wir auf den schönen, mehr oder weniger asphaltierten Radweg kommen konnten, sollten wir einige Kilometer Wander-Matsch-Sch***-Weg überwinden und das auch noch so was von steil bergauf, dass ich nicht nur fast die ganze Zeit geschoben habe, sondern wir teilweise gemeinsam ein Rad nach dem anderen diesen dämlichen Berg raufhieven mussten. Ich muss aber jetzt meinem Göttergatten zu Gute halten, dass er nicht nur in er Lage war einige Teile dieses sogenannten „Weges“ zu fahren, sondern er hat sogar mein Rad nachgeholt und als beide Räder nach oben befördert.

Als das geschafft war, musste wir nur noch eine Steigung überwinden, die zwar recht gut ausgebaut, aber eben sehr hoch war. Doch, trotz meiner schlechten Laune, habe ich den Berg bezwungen. Oder um Andis Worte zu benutzen: „wir sind jetzt auf dem Hügel“. Danach wurde es erheblich besser. Bewaffnet mit Daunenjacken, Mützen und Handschuhe haben wir uns der Abfahrt gestellt und wir waren schnell. Wir haben es aus dem Wald heraus zurück in die Zivilisation geschafft und sogar einen Coop gefunden, wo wir uns endlich mit Essen eindecken konnten (liebe Omas, wir hatten nicht wirklich nichts zu essen, wir hatten viel Gemüse, dass wir auf dem Berg gegessen haben, aber es war halt Gemüse).

Etwa 20 km vor Presov haben wir an einem Fluss (natürlich in einem Tal, oder zumindest nicht oben auf dem Berg) das Zelt aufgeschlagen und Suppe gegessen, die uns ein Zimmergenosse aus dem Hostel mit auf den Weg gegeben hat, dazu gab es frisch gekauften Zwieback. Wir sind früh aufgestanden. Das Wetter war nicht so richtig toll, ein bisschen diesig und kalt, aber dafür hat es uns auf den Eurovelo 11 verschlagen, der (zum Teil) wirklich gut ausgebaut ist.

Angekommen in Presov haben wir uns einen Kakao genehmigt. Obwohl in diesem Fall der Kakao in Wirklichkeit geschmolzene Schokolade war. Außerdem haben wir im Park zu Mittag Brot mit Käse gegessen und uns sehr lange mit Ivan unterhalten, der uns erzählt hat, dass wir den Tag in der Stadt genießen sollten, da am nächsten der Lockdown anfing. Wir haben außerdem eine Entdeckung gemacht. Besonders den Solingern unter unseren Lesern fällt vielleicht auf dem Foto auf, dass es hier Oberleitungen gibt und dementsprechend auch O-Busse, sogar O-Gelenkbusse und allesamt von Skoda.

Direkt hinter der Stadt haben wir noch eine Portion indisch gegessen und uns einen flachen Schlafplatz (im Tal versteht sich) gesucht. Das führte natürlich dazu, dass wir nach dem Aufstehen erst einmal einen Berg bezwingen oder wie Andi sagt „auf einen kleinen Hügel fahren“, mussten. Danach ging es für uns mit leichtem Auf und Ab nach Kosice. In Kosice wurden wir mit offenen Armen von Janko empfangen. Samt Gepäck und Fahrrädern sind wir bei ihm eingefallen. Wir haben gemeinsam Lasagne und Kuchen gemacht und uns dann aufs Sofa begeben um uns gegenseitig mit schrägen Youtube Videos zu übertrumpfen. Wir hatten wahnsinnig viel Spaß mit dem Coconutsong und dem Katzenmarsch bis wir ins Bett gegangen sind. Am Sonntag war das Wetter schlecht, der Lockdown hat uns an die Wohnung gefesselt und wir haben uns diesem Schicksal bei Kakao und TV nur allzu bereitwillig gefügt. Immerhin haben wir uns zum Supermarkt begeben und gekocht. Es gab etwas unaussprechliches, aber wie das Gericht heißt ist auch nicht so wichtig.

Also liebe Fleischliebhaber: Wurst, Fleischstücke, Speck (zusammen etwa 2 kg, die Gewichtung ist jedem selbst überlassen), Kartoffeln, Paprika, Champignons, Zwiebeln, Aubergine (bis auf die Kartoffeln und Zwiebeln ist das Gemüse variabel, zusammen sollten es allerdings etwa 2 kg sein, wegen des Gleichgewichts) , dann wird geölt und gewürzt mit allem, was da ist und Knoblauch. Das ganze wird aufs Backblech gepackt, mit Käse bestreut (laut Janko gibt es dabei kein zu viel) und dann mit Alufolie bedeckt. Das soll dann „eine gewisse Zeit, bis es fertig ist halt“ bei „egal, Hauptsache man vergisst nicht den Ofen anzumachen“ in den Backofen. Janko hat den Tipp gegeben, dass das auch beim Grillen sehr gut als Alufolien-Päckchen in die Kohle kann, allerdings sollte man dann weniger nehmen, aber das 1:1 Verhältnis soll bewahrt werden.

Am nächsten Tag haben wir dann doch beschlossen aktiv zu werden. Da wir die touristischen Highlights nicht besuchen konnten, hat uns Janko zu einer stillgelegten Fabrik gebracht. Dabei war die Anfahrt schon ein Abenteuer, ich durfte als Sozius auf seinem Motorrad mitfahren und Andi wurde mit einem Motorroller ausgestattet um auf eigene Faust den Weg zu bestreiten. Bei der Fabrik handelte es sich um eine Mühle. Mehrere Gebäude mit bis zu zehn Stockwerken, die bereits ziemlich zerstört durch Wetter und Vandalismus dennoch zum besteigen einladen. Wir haben uns alte Mahlwerke angesehen, kreative Graffiti und durch Löcher im Boden in bestimmt 40 m tiefe Silos geschaut und uns gegruselt. Wir sind auf dem Dach herumgelaufen und haben den Ausblick genossen. Anschließend haben wir zumindest eine kurze Tour durch die Stadt gemacht. Mein Papa würde das vermutlich eine Stadtbesichtigung nennen. Zumindest sagt er, dass er eine Stadt kennt, wenn er mit dem Motorrad mal durch gefahren ist und genau das haben wir getan.

Um mit den Erfahrungen nicht hoffnungslos hinterher zuhängen bestehe ich darauf am nächsten Tag die Plätze mit Andi zu tauschen, als wir unsere Besichtigungstour fortsetzen. Heute geht es erst in einen Minenschacht. Die Mine ist bereits seit vielen Jahren still gelegt, also können wir mehr oder weniger gefahrlos in den Entwässerungsschacht steigen und Dinge hinunter werfen. Es dauert sehr, sehr lange, bis die Steine unten ankommen und wenn sie da sind, ist es sehr, sehr laut. Der Schacht ist so tief, dass nicht einmal Andis Ledlenser MT14 auf stärkster Stufe den Grund beleuchten kann. Unser nächster Halt ist bei einem stillgelegten Eisenbahntunnel. Dort wurden nachdem er als Eisenbahntunnel aufgegeben wurde Glasflaschen gelagert. Alle sind leer und das Glas ist mittlerweile blind geworden. Es ist ein riesen Spaß Glasflaschen an die Steinwände zu schmeißen. Doch das Highlight erwartet uns danach. Wir klettern auf eine Seilbahn, die ursprünglich die Mine mit der süd-westlich der Stadt gelegenen Fabrik über zwei Täler hinweg verbunden hat. Seit die Mine nicht mehr in Betrieb ist, ist die Seilbahn es auch nicht mehr. Wir klettern auf einen der tragenden Türme und haben einen fantastischen Blick über die Stadt. Auf den Fangnetzen aus Metall kann man fantastisch von Turm zu Turm laufen, aber das tun wir nicht.

Abends bekommen wir Verstärkung von Payten (wenn du das liest, dann schreib mit bitte, wie dein Name geschrieben wird), sie kommt aus Taiwan, reist durch die Welt und vermeidet Sonnenbräune. Wir haben einen wirklich tollen Abend zu viert, essen Nudeln mit Pesto und Kuchen und tauschen ein paar Reiseerfahrungen aus.

Schon beim Einschlafen hatte ich keine Lust am nächsten Tag aufzubrechen. Tatsächlich kam es dann dazu, dass wir bis zum frühen Nachmittag herumgedümpelt haben. Als wir es dann endlich geschafft haben uns von Janko, Payten und der gemütlichen Couch zu trennen, haben wir es nur 18 km aus der Stadt heraus geschafft. Wenigstens hat uns das einen fantastischen Blick zurück nach Kosice verschafft.

Immerhin ist es am nächsten Tag nur ein Berg, der diesen Namen verdient hat, ansonsten gibt es nur ein paar Hügel, ja sogar ich sehe das so. An diesem Donnerstag, den 29.10.2020, ist uns etwas aufregendes passiert. Andis Fahrrad ist kaputt gegangen, doch auf Grund seiner jahrelangen Erfahrung, seinem handwerklichen Geschick und unserer fantastischen Ausrüstung konnte er dem Herr werden und hat nach langem Bangen einen Weg gefunden dafür zu sorgen, dass wir die Weltreise nicht abbrechen müssen, sondern weiter fahren können.

Mit dem frisch geflickten Platten haben wir uns durch das jetzt absolut flache Terrain der Grenze zur Ukraine genähert. Auf der Suche nach Wasser, wie eh und je auf einem Friedhof, wurden wir von „Big Boss“ aufgegabelt, der uns zu seiner Tankstelle geleitet hat, wo wir neben Wasser auch Bier, Kofola und Irish Coffee (ohne Alkohol) aus dem Automaten bekommen haben. „Big Boss“, Jo und Mohamed haben uns gastfreundlich empfangen und trotz großer Sprachbarrieren haben wir eine Art Unterhaltung zu Stande gebracht.

Die Nacht haben wir nur wenige Kilometer weiter in einem sehr einladenden Wald verbracht. Am nächsten Tag sind wir bei unserer ersten Grenze mit Grenzkontrolle aufgeschlagen. Ich war super aufgeregt, weil wir vielleicht in Quarantäne müssen oder abgewiesen werden, wegen Corona oder sonst etwas passieren könnte. Das ist passiert: erst war keiner da, also haben wir 20 min gewartet, bis die Grenzbeamten zurück waren. Dann mussten wir unsere Krankenversicherung nachweisen und unsere Reisepässe zum Stempeln abgeben. Wir haben uns unsere Stempel mal angesehen. Angeblich sind wir am 30.10.2003 eingereist oder wir verstehen die Stempel nicht. Wie auch immer, die Grenzbeamten waren nicht wirklich interessiert, haben nichts von einer Quarantäne gesagt und uns eine gute Reise gewünscht. War alles halb so schlimm und wir haben unseren ersten Stempel.

Von der Grenze aus sind wir zu einem Hostel in Uschgorod geradelt. Davon erzähle ich aber lieber später. Insgesamt haben wir in der Slowakei (also von Zakopane bis nach Uschgorod) 11 Tage verbracht, sind 290 km weit und 2600 Höhenmeter gefahren.