Wir wollten sonntags möglichst früh aufbrechen, sind aber erst um 15 Uhr aufgebrochen. Da ich bereits für Montag Abend die Zusage für eine Couch in Poznan bekommen habe und der Abschnitt des Eurovelo 2, der die beiden Städte verbindet, etwa 145 km lang ist, hatten wir eine anstrengende Zeit vor uns.

Wir konnten die Strecke mit Hilfe einer Bundesstraße um 7 km verkürzen, weshalb wir am Sonntag Nachmittag nur knapp über 50 km gefahren sind, bevor wir uns einen Schlafplatz gesucht haben. Am nächsten Morgen sind wir bereits um halb sieben aufgestanden um den Tag optimal nutzen zu können. Wir haben sogar einen sehr schönen Platz mit Ausblick auf Lezeczki zum Frühstücken gefunden. Der Weg war noch nicht richtig beschildert (ohne Karte oder Navi ist man verloren), aber zum Großteil zumindest befahrbar, allerdings hatten wir mit einigen sehr sandigen Streckenabschnitten zu kämpfen.

Wir sind gut vorangekommen und hatten zwischendurch Zeit uns ein paar der alten Kirchen anzusehen, die in den kleinen Dörfern immer wieder unseren Weg säumten. Die ausschließlich katholischen Kirchen sind allesamt sehr prunkvoll eingerichtet. Es gibt viel Gold, Marmor und Holz. Viele der Kirchen haben eine Art Leitfaden. Sie sind beispielsweise maritim eingerichtet, oder haben eine bestimmte Farbe, wie Violett oder Grün zum Thema gemacht. Wir haben einige Fotos gemacht, wollen euch aber nur das, unserer Meinung nach, Außergewöhnlichste zeigen.

Gegen 19 Uhr sind wir nach über 90 km in Poznan bei unseren Hosts angekommen. Nach dem Abendessen hat sich Kseniya angeboten uns die Stadt zu zeigen. Wir sind mit dem Fahrrad an den Sehenswürdigkeiten vorbei gefahren und über den alten Markt spaziert. Sie hat uns einige Sachen für den kommenden Tag empfohlen. Außerdem waren wir in einem Craft-Beer-Pub. Andi scheint es dort sehr gut geschmeckt zu haben. Zurück in der Wohnung waren wir sehr froh über das Bett und über eine warme Dusche.

Am nächsten Morgen haben wir uns auf den Weg in die Stadt gemacht. Zuerst sind wir nur über den Markt geschlendert und haben uns an der Barock- und Renaissancearchitektur in der Altstadt erfreut. Um 12 Uhr haben wir uns mit einigen anderen Touristen auf dem alten Markt eingefunden um einer im Jahr 1551 begründeten Tradition beizuwohnen. Wenn die Rathausuhr zur vollen Stunde schlägt, erscheinen zwei mechanischen Ziegenböcke und beginnen einen Kampf. Begleitet werden sie von einem Trompeter, der ebenfalls wichtiger Bestandteil dieses Rituals ist.

Bartholomäus Wolff, der die Uhr des Rathauses entwarf, lud zu deren Präsentation eine Menge wichtiger Leute ein. Leider ist beim Kochen etwas schiefgegangen und es musste ein neuer Braten organisiert werden. Die beiden Ziegenböcke, die der Küchengeselle zu diesem Zweck herbeischaffte, entflohen auf das Gerüst vor dem Rathaus, welches noch nicht abgebaut worden war. Von dort aus unterhielten sie die Gäste des Festmahls damit, sich mit ihren Hörnern zu stoßen. Daraufhin wurden die beiden mechanischen Ziegenböcke ergänzt und keilen sich jetzt jeden Tag um 12 Uhr.

Nach einem fantastischen Essen in einem kleinen georgischen Lokal, das unsere Gastgeberin empfohlen hat, sind wir in das Croissantmuseum gegangen. Dort haben wir gelernt, wie man das traditionelle Rogal swietomarcinski, zu deutsch St.-Martins-Hörnchen, backt. Diese Bezeichnung und das dazugehörige Rezept sind geschützt, es darf in dieser Art ausschließlich von zertifizierten Bäckern in und um Poznan hergestellt und verkauft werden. Für private Zwecke ist es uns allerdings gestattet, auch andernorts diese Köstlichkeit zuzubereiten. Nur soviel zum Appettit anregen: das Hörnchen ist aus Blätterteig, gefüllt mit einer Mohn-Nuss-Creme und gedeckt mit Zuckerguss.

Auch dieses blickt auf eine lange Tradition zurück. Angeblich träumte einst ein Bäckergeselle davon, dass St. Martin auf seinem Pferd durch Poznan reitet. Das Pferd verlor auf der Straße ein Hufeisen. Am morgen fand der Geselle ebendieses Hufeisen in seinem Bett und war von seinem Traum und der vermeintlichen Begegnung mit dem Heiligen so inspiriert, dass auch er, wie ein St. Martin, etwas mit den Bedürftigen teilen wollte. Er entwickelte also eine Speise, die optisch stark dem Hufeisen glich, die er an die Armen verschenkte und die Reichen verkaufte. So ist, der Legende nach, das Roger swietomarcinski entstanden.

Nachdem wir uns derartig mit den Traditionen der Stadt beschäftigt haben, sind wir zum Museum of applied Arts gegangen um uns auf der einen Seite die Ausstellung anzusehen und auf der anderen Seite die viel gelobte Aussicht auf die Stadt zu genießen. Glücklicherweise sind wir an einem Dienstag gekommen, denn an Dienstagen ist der Eintritt frei. Die Ausstellung ist sehr interessant. Es werden Alltagsgegenstände, Kleidungsstücke, Möbel und Dekoartikel verschiedener Epochen präsentiert. Die Aussicht auf die Stadt war beeindruckend. Auf dem Foto kann man den alten Markt mit dem Rathaus erkennen. Außerdem konnten wir bereits die Dominsel sehen, die wir anschließend besuchen wollten.

Der Dom ist eine angepriesene Sehenswürdigkeit. Leider konnten wir ihn nicht allumfassend ansehen, da Dreharbeiten für einen Film stattfanden. Wir konnten dennoch die Basilika betreten und damit auf den Fußstapfen der Gründer Polens wandeln. Zumindest hat unsere Gastgeberin uns erzählt, das Polen dort seinen Ursprung als Land hat.

Es ist recht spät geworden, als wir wieder bei unseren Hosts eintrafen. Wir haben unsere Sachen gepackt und uns auf den Weg gemacht, als die Dämmerung schon begann. Aber es hat sich gelohnt, wir haben eine Menge über die Stadt gelernt und würden gerne noch einmal zurück kommen.