Nach dem Überfahren der Türkisch-Bulgarischen Grenze hat es prompt angefangen zu nieseln. Da mittlerweile recht später Nachmittag war, haben wir uns bereits etwa 10 km später einen Zeltplatz gesucht. Umringt von Müll haben wir es uns gemütlich gemacht und auch noch die letzten Verwandten über den bevorstehenden Familienzuwachs informiert. Die Nacht war kalt, aber glücklicherweise recht trocken.
Als erstes Ziel in Bulgarien haben wir uns Plovdiv ausgesucht. Auf Grund meiner noch immer nicht hundertprozentig ausgestandenen Schwangerschaftsübelkeit haben wir für die etwa 200 km dorthin vier weitere Tage eingeplant. Die Strecke haben wir hauptsächlich über kleine Straßen geplant, die uns zwischen Feldern und Wäldern von Dorf zu Dorf gebracht haben. Das Wetter war meist sonnig, aber leider recht kalt. Am zweiten Tag unseres Weges sind wir kurz nach einem Dorf bei der Schlafplatzsuche einem Kuhhirten begegnet, der sein Herde über die Straße in Richtung der Ställe trieb. Um weiter zu kommen, mussten wir durch die Herde fahren, was, obwohl Kühe im Allgemeinen sehr friedlich sind, ein bisschen unheimlich war, da die beiden bepackten Radfahrer so interessant waren, dass die Neugier über die Angst gesiegt hat. Die letzte Nacht vor Erreichen unseres Ziels haben wir dann an einem malerischen Flussufer verbracht. Dort haben wir ein Abendessen aus Schwarzbrot und Fleischwurst genossen. Das haben wir bei unserem Aufenthalt in der Türkei beides ein wenig vermisst.
Der folgende Tag war der längste auf unserem Weg nach Plovdiv. Wir haben uns im Zentrum ein Hostel gebucht und mussten dorthin noch etwa 60 km fahren. Glücklicherweise war der Weg hauptsächlich flach und nach dem Frühstück am Morgen sind wir zügig gefahren, bis wir nach 37 km eine Pause bei einer kleinen Kirche machen mussten.
Als wir am Nachmittag schließlich das Hostel erreicht, unsere Fahrräder verstaut und geduscht haben, sind wir in der Stadt auf die Suche nach einem Restaurant gegangen. Nur zwei Tage vor unserer Ankunft in Plovdiv wurde der seit Monaten geltende Lockdown beendet. Es bestand zwar weiterhin Maskenpflicht, wenn das Einhalten des Mindestabstandes von zwei Metern nicht gewährleistet werden konnte, aber alle Restaurants und Geschäfte waren geöffnet. Auf der Suche sind wir Maurice und Simon über den Weg gelaufen. Die beiden Deutschen studieren, wie viele andere, Medizin in Plovdiv. Sie bezeichnen sich selber als NC-Flüchtlinge und laden uns (oder eher Andi) spontan auf ein Bier ein. Um zumindest Maurice, dieses Mal in Begleitung von Felix, am nächsten Tag noch einmal zum Abendessen treffen zu können, haben wir unseren Aufenthalt im Hostel um eine Nacht verlängert.
Neben dem abendlichen Treffen empfahlen Maurice, seine Freundin Antonia und Simon einen Besuch in der Altstadt von Plovdiv. In der Altstadt besuchen wir einen Antiquitätenhändler bei dem wir unter Anderem Dias von einem deutschen Arzt finden, der Operationen, Organe und Krankheitssymptome fotografiert hat. Auch sonst ist die Altstadt sehr ansehnlich mit ihren alten Häusern und kleinen Gässchen. Sie katapultierte Plovdiv auf die Liste der bisher sehenswertesten Orte, die wir auf unserer Reise besucht haben. Nochmal unterstützt wurde unser Eindruck, dass sich ein weiterer Besuch lohnt, als wir bei einer kleinen, italienischen Eisdiele wirklich fantastisches Eis gegessen haben.
Am Sonntag, den 7.3. brachen wir tatsächlich in Richtung Sofia auf. Wir hatten knapp 190 km auf kleineren Straßen vor uns, aber leider nur noch drei Tage zwar kaltes, aber zumindest trockenes Wetter. Die folgenden zwei Nächte im Zelt, waren die kältesten, die wir bisher hatten. Bis zu -5°C haben sogar Andi, der sonst sehr resistent ist, zum schlottern gebracht. Umso glücklicher waren wir, dass wir für den 9.3. einen Host in Sofia gefunden haben. Am letzten Fahrtag vor Sofia haben wir endlich die Kuppe der Steigung erreicht, die wie bereits am Tag zuvor zu erklimmen begonnen haben. Oben angekommen war es noch sehr früh und es ergab sich ein malerischer Ausblick über die umliegenden Hügel.
Bei Viktor angekommen, haben wir (nach einer Dusche) gemeinsam Risotto gekocht und uns lange unterhalten. Am nächsten Tag sind wir in ein AirBnB umgezogen, das meine Mutter mir zu meinem bevorstehenden Geburtstag für drei Nächte spendiert hat. In dieser wirklich sehr coolen Wohnung hat Andi dann am Abend angefangen meinen Geburtstag am folgenden Tag vorzubereiten. Neben einem Kuchen und perfekten Frühstück, hat mich mein Göttergatte auch noch mit Geschenken überrascht.
Abends waren wir in einem deutschen Gasthof essen, dessen Leberkäse leider mit unseren heimischen Produkten nicht mithalten konnte. Trotzdem war ich mit meinem Geburtstag sehr zufrieden. Am kommenden Tag haben wir den nächsten Ultraschalltermin ausgemacht, leider durfte Andi nicht mit in den Untersuchungsraum und konnte deshalb die ersten Bewegungen unseres Kindes nicht sehen. Trotzdem waren wir beide sehr froh zu hören, dass alles in Ordnung ist und es keinen Anlass zur Sorge gibt.
Am nächsten Tag wollten wir Sofia eigentlich wieder verlassen. Allerdings habe ich, vermutlich auf Grund einer hormonellen Dysbalance, unter unbegründeter Verzweiflung und Trauer gelitten. Also haben wir in einem günstigen Hotel ein Zimmer für drei weitere Nächte gebucht, damit ich mich davon erholen konnte. Immerhin hatten wir so sowohl Zeit die Stadt weiter zu besichtigen, als auch ein Hallenbad zu besuchen und unseren Blog zu aktualisieren. Am Mittwoch haben wir es tatsächlich geschafft uns aufzuraffen und auf den Weg in Richtung Kyustendil zu machen.
Unter erster Stopp war in Dragichevo bei Rosi. Um dorthin zu gelangen, mussten wir einige Höhenmeter hinter uns bringen. Es war kalt und hat geschneit, als wir schließlich ankamen, lagen mehr als 20 cm Schnee. Am nächsten Tag haben wir uns nur 6 km weiter in die Berge bewegt, dort im letzten Dorf wohnt Maria, die uns für zwei Nächte aufnehmen wollte. Das Wetter war glücklicherweise viel besser und wir konnten die Fahrt durch die schneebedeckten Hügel genießen.
Bei Maria angekommen hat sie für uns ein typisch bulgarisches Abendessen zubereitet und wir haben uns gegenseitig von unseren Reiseerfahrungen erzählt. Wir hatten Glück, dass der Strom wieder da war, denn auf Grund des hier 50 cm hohen Schnees, gab es Probleme mit der Versorgung und es war nicht klar, ob wir bei unserem Aufenthalt würden kochen und heizen können. Da ich eine extreme Frostbeule bin, waren wir sehr froh, dass der Strom bei unserer Ankunft wieder funktionierte und wir sogar heiß duschen konnten. Am folgenden Tag musste Maria leider arbeiten, also sind wir alleine Wandern gegangen. Wir haben uns eine Runde auf Komoot ausgeguckt, die wir allerdings bereits nach wenigen Kilometern abgebrochen haben, da der Schnee oberschenkeltief war und wir mittlerweile ziemlich nasse Füße hatten.
Am nächsten Tag sind wir mit Iskren verabredet. Er ist ein Couchsurfer aus Pernik, der uns mit zum Frühlingsfest in Dragichevo nehmen will. Dort findet jedes Jahr ein Pferderennen statt. Leider verpassen wir alles bis auf die Preisvergabe, aber da es dauernd schneite und regnete, hatten die Menschen ohnehin nicht so besonders viel Spaß. Anschließend haben wir uns mit Iskren im 12 km entfernten Pernik wieder getroffen.
Von dort aus wollten wir einen Zug zu unserem nächsten Host in Kyustendil nehmen. Das war, entgegen unserer Erwartungen, wirklich kein Problem. Für knapp 1 € pro Fahrrad konnten wir sie einfach mit in den Zug nehmen und so 70 km auf den Rädern im Schnee umgehen. Außerdem war die Zugstrecke ziemlich sehenswert und ich somit hoch erfreut, dass sich uns diese Möglichkeit geboten hat. Mit Anatoli waren wir in einem Souvenierladen in der Stadt verabredet. Dort haben wir nicht nur ihn, sondern auch seine Freunde Boris und Gregoris getroffen. Gregoris ist ein griechischer Journalist, der selber mehr als 20 Jahre lang Radreisen in Europa und Asien gemacht hat. Wir hatten einen sehr unterhaltsamen Abend!
Für das Abendessen und die Nacht sind wir zu Anatoli umgezogen, wir haben gemeinsam Nudeln gekocht und uns, statt einer tatsächlichen Besichtigung, ein Imagevideo über Kyustendil angesehen. Definitiv auch ein Ort, der einen zweiten oder sogar dritten Besuch wert ist. Am nächsten Morgen sind wir um 5 Uhr aufgestanden. Wir haben geplant an diesem Tag die Grenze nach Nord-Mazedonien zu überqueren.
Da wir bis dorthin 800 Höhenmeter zurücklegen müssten und das Wetter ziemlich schlecht war, haben wir uns entschieden die ersten 600 davon mit einem Zug abzukürzen, der allerdings ausschließlich um 7 Uhr morgens in Kyustendil abfuhr. Um 8.40 Uhr sind wir im letzten Dorf vor der Grenze angekommen. Dort lag wieder Schnee.
Nachdem wir die ersten 2 km, die zwischen dem Bahnhof und der Hauptstraße lagen, schieben mussten, da nicht mal Andi durch diesen Schnee fahren konnte (es gilt zu erwähnen, dass er allerdings deutlich weiter gekommen ist als ich), waren wir froh, dass die Hauptstraße zumindest ansatzweise geräumt und gestreut war. Das schlechte Wetter und die Kälte waren trotzdem ätzend.
Wir haben es geschafft vor 10 Uhr am Morgen an der Grenze, also auf knapp 1300 Höhenmetern zu sein. Damit haben wir den anstrengendsten Teil der Höhenmeter, die zwischen uns und unserem Tagesziel, einem Hotel in Kumanovo, lagen, geschafft. Die Grenzbeamten waren sehr fasziniert von uns. Außer einem LKW waren wir die einzigen, die nach Nord-Mazedonien einreisen wollen und dann auch noch mit Fahrrädern bei dem Wetter. Sie haben einige Fotos von uns gemacht.
Damit war also auch unser zweiter Aufenthalt in Bulgarien nach zwei Wochen beendet. Wir haben wirklich Glück gehabt, da am Tag unserer Einreise der Lockdown beendet und am Tag unserer Ausreise wieder eingesetzt wurde. Wir haben also Bulgarien zum bestmöglichen Zeitpunkt durchquert und konnten deshalb einige schöne Erfahrungen machen, die uns mit Sicherheit sonst verwehrt geblieben wären.
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