Seit unserem letzten Artikel sind bereits fast zwei Monate vergangen. Wir haben schon vom ein oder anderen gehört, dass wir euch haben zu lange warten lassen. Dafür haben wir jetzt umso mehr zu erzählen und endlich einen konkreten Plan, wie es für uns trotz geschlossener Grenzen in Asien weiter gehen soll. Anstatt unseren ursprünglichen Plan, von der Türkei aus in den Iran zu radeln und dann nach Indien weiterzuradeln, zu verfolgen, haben wir uns entschieden uns auf den Weg nach Frankreich und dann hoffentlich im Sommer mit einem Frachtschiff nach Mexiko zu machen. In Zentralamerika waren die Grenzen für Touristen in den letzten Monaten konsequent, zum Teil natürlich unter Auflagen, geöffnet. Wir hoffen, dass es so bleibt und wir nach einem Jahr auf Reisen Europa wirklich hinter uns lassen können.

An unserem letzten Abend in Istanbul haben wir uns zu einem letzten Ausflug in der Megastadt aufgerafft. Wir haben in den Wochen, die wir dort verbracht haben von überall die Moschee Çamlıca gesehen. Sie liegt auf einem Hügel nördlich von Üsküdar und ist ab der Dämmerung imposant beleuchtet. Von Nahem ist die Moschee mindestens genauso beeindruckend, wie aus der Ferne. Vom Vorplatz aus konnten wir einen würdigen letzten Blick über die Stadt werfen, die für einen Monat unser Zuhause war.

Am Nachmittag des folgenden Tages brechen wir auf. Da es in den nächsten paar Tagen nicht nur sehr kalt, sondern sogar verschneit sein sollte und wir das Leben auf der Straße nicht mehr gewohnt waren, haben wir uns für die folgenden drei Nächte ein günstiges Hotelzimmer in Büyükada auf der Prinzeninsel, die wir bereits ein paar Tage zuvor besucht hatten, gebucht. Dort wollten wir wandern, radeln und unsere neu erworbene Drohne testen. Die Insel war sehr schön und ruhig, allerdings vermuten wir, dass dieser Luxus, ebenso wie das günstige Hotelzimmer, hauptsächlich der aktuellen Situation zu verdanken war.

Am letzten Morgen in Büyükada habe ich mich entschieden einen Schwangerschaftstest zu machen, da meine Periode schon einige Zeit überfällig war und wir gespannt waren, ob unser Plan aufgegangen ist. Tatsächlich wurde ich mit einer schwachen, aber deutlich sichtbaren zweiten Linie belohnt.

Wir sind an diesem Tag mit den Rädern über einen sehr schönen Fahrradweg von Kadiköy nach Pendik gefahren. Dort haben wir eine Fähre nach Yalova genommen, wo wir eine Verabredung mit einem Warmshowershost hatten.

Wir wurden mit offenen Armen empfangen und fantastisch bekocht. Ilhan und seine Familie haben mit uns den positiven Schwangerschaftstest gefeiert und seine Frau, eine Ernährungsberaterin, hat mir den ein oder anderen Tipp mit auf den Weg gegeben. Bis spät in die Nacht haben wir uns über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten unserer Kulturen unterhalten. Nach einer sehr erholsamen Nacht haben wir uns nach einem hervorragenden Frühstück verabschiedet. Zum ersten Mal haben wir Tahin (eine Art Sesambutter) mit Pekmez (Weintraubensirup) gegessen. Das ist ein typischer Aufstrich zum Frühstück in der Türkei. Wir hatten einen sehr schönen Aufenthalt mit Ilhan und seiner Familie. Zur Erinnerung habe ich sogar traditionelle Hausschuhe und ein Tuch bekommen.

Unsere Hosts haben uns außerdem empfohlen nicht direkt nach Gemlik zu fahren, wo unser nächster Host uns zwei Tage später erwartete, sondern die Gelegenheit und das deutlich bessere Wetter zu nutzen und an der Küste entlang durch Armutlu zu fahren. Das war zwar deutlich länger, aber umso schöner. Obwohl es sich am Anfang um eine große Bundesstraße handelte, war der Weg ziemlich verkehrfrei. Die Sicherheit, die wir beim Radeln verspürten kam dabei bestimmt nicht zuletzt von der ständigen Überwachung durch die Polizei am Straßenrand. Ilhan hatte Recht damit uns diesen Weg zu empfehlen, denn nachdem wir die große Bundesstraße hinter uns gelassen haben, führte uns der Weg durch kleine Dörfer an der Küste entlang. Dabei haben wir trotz der winterlichen Temperaturen einen sommerlichen Ausblick genossen.

Am ersten der beiden Tage haben wir leider nicht besonders viel Strecke geschafft, weil Volkan und Döndü uns von der Straße aufgelesen und eingeladen haben. Neben Tee, Kaffee und Keksen haben sie auch noch darauf bestanden uns nicht ohne Abendessen weiterziehen zu lassen. Volkan und Döndü waren sehr betrübt, dass sie uns in dieser Nacht nicht aufnehmen konnten und haben uns das Versprechen eines erneuten Besuches abgerungen, um nächstes Mal länger bei ihnen zu bleiben.

Sehr satt und müde haben wir uns kurz vor der Dämmerung wieder auf den Weg gemacht und ein verlassenes, altes Haus als Zeltplatz auserkoren. Ich dachte dort würde ich besser schlafen, weil es vor Tieren schützt, allerdings war das tropfende Schmelzwasser sehr laut und beängstigend in der Nacht. Am Morgen wurden wir beim Abbauen des Zeltes vom Besitzer des Grundstücks überrascht und in deutscher Manier, war ich sofort besorgt, dass er sauer sein würde wegen des Landfriedensbruchs.

Leider war die Kommunikation auf Grund meiner mangelnden Türkischkenntnisse sehr schwierig. Um dem Abhilfe zu schaffen hat Yilmaz einen Freund angerufen, von dem er dachte, ich könnte ihn verstehen. Leider hat er mich allerdings für eine Russin gehalten und einen russischen Freund angerufen mit dem das Reden keinen Deut besser geklappt hat. Nach einigen Minuten habe ich zumindest verstanden, dass er uns in sein Haus zum Frühstück einladen wollte. Wir haben dankend angenommen, also ist Yilmaz schnell zu einem Laden gefahren und hat genug Essen für eine ganze Kompanie eingekauft. Dann ist er zur Arbeit aufgebrochen und hat uns mit all unserem Essen und der Versicherung, dass wir so viele Nächte, wie wir möchten bei ihm bleiben dürfen, verlassen. Nur durch das Versprechen irgendwann wiederzukommen konnten wir rechtfertigen, dass wir nicht über Nacht bleiben. An diesem Tag lagen bis zu unserem Host in Gemlik ohnehin noch knapp 80 km und einige Höhenmeter vor uns. Obwohl unser Tagesprogramm dadurch recht stramm geplant war, hatten wir ausgiebig Gelegenheit den Ausblick über Hügel und Meer zu genießen.

Unser Warmhowershost Hüseyin hat uns zum Abendessen Nudeln und Kartoffeln mit einer sehr leckeren Hühnchen-Sahnesauce gekocht. Zum Frühstück hat er ebenso fantastisches Menemen gemacht. Bei ihm haben wir zum ersten von vielen Malen dieses typische Frühstück gegessen. Rückblickend war es auch das beste Menemen, dass uns in der Türkei zubereitet wurde. Hüseyin hat uns am Morgen vor unserem Aufbruch noch die schönsten Stellen seiner Heimatstadt gezeigt und uns dann in Richtung Bursa verabschiedet.

Nach Bursa führt von Gemlik aus eine stark frequentierte Bundesstraße, die zum Fahrradfahren aber sehr unattraktiv ist. Wir haben also eine alternative Route gewählt, die mit mehr Kilometern und Höhenmetern zwar anstrengender, aber auch sehr viel schöner sein sollte. Unser Weg führte uns auf kleinen, glücklicherweise meistens asphaltierten Straßen durch Felder und kleine Dörfer. Obwohl es weiterhin wirklich kalt war, haben wir das gute Wetter und den Ausblick über die Schneebedeckte Landschaft sehr genossen.

Kurz vor der Dämmerung hat uns ein sehr netter Transporterfahrer aufgegabelt und uns die letzten 15 km nach Bursa mitgenommen. Um der nächtlichen und abendlichen Kälte zu entkommen, haben wir ein Hotelzimmer in Bursa gebucht und uns am späteren Abend mit türkischem Fastfood ins warme Bett gekuschelt. Für den nächsten Abend haben wir etwas außerhalb in Görükle einen Host über Warmshowers gefunden. Als wir den Weg dorthin am Mittag antraten, schafften wir nur die Hälfte der 25 km bevor wir von Semih auf einen Tee eingeladen wurden. Außer uns mit Tee und Mittagessen zu versorgen, bestand Semih darauf unsere Fahrräder zu überholen. In seiner Werkstatt nahm er sich ein paar Stunden Zeit, um uns zu helfen.

Am Abend sind wir dann bei unserer Gastgeberin Muruvvet angekommen. Auf der Suche nach dem richtigen Hauseingang hat uns ein Cafebesitzer einen Kaffee ausgegeben und uns damit das Warten erleichtert. Schließlich haben wir es in die Wohnung unseres Hosts geschafft. Wir wurden mit fantastischem Essen und unglaublicher Gastfreundschaft empfangen. Wir haben uns lange unterhalten und Muruvvet und ihr Freund Veysel haben uns geholfen einen Arzttermin im Acibadem Krankenhaus auszumachen, bei dem wir die erste Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung haben wollten.

Der Termin war bereits für den übernächsten Tag, also Montag, den 25.1., angesetzt. Denn Sonntag zuvor verbrachten wir gemeinsam entspannt bei Muruvvet. Am nächsten Morgen sind Andi und ich sehr früh aufgestanden um rechtzeitig bei meinem Arzttermin zu sein. Das Krankenhaus war sehr beeindruckend, mit Mamorboden, Holzvertäfelung und einem Mitarbeiter, der uns zu unserem Termin geführt hat. Die Doktorin war sehr sympathisch und hat sich viel Zeit genommen. Der Ultraschall hat offenbart, dass ich vermutlich erst in der 4. SSW bin. Trotzdem haben Andi und ich uns sehr gefreut und alle Empfehlungen aufgeschrieben, die sie für uns hatte.

Abends haben Veysel, Muruvvet, Andi und ich die Neuigkeiten gefeiert. Wir haben gemeinsam Käsespätzle alá Tobi gekocht, um uns für all die fantastischen Mahlzeiten zu revanchieren. Wir haben sogar unseren ersten Babyschlafanzug geschenkt bekommen. Die Abende mit unserer Gastgeberin sind immer besonders schön und unterhaltsam. Sogar Slomo befindet sich hier in guter Gesellschaft.

An unserem letzten Tag in Bursa wollten wir uns endlich diese geschichtsträchtige Stadt ansehen. Wir haben von Veysel eine Liste mit Orten bekommen, die lohnenswert sind. Wir brachen also möglichst früh auf, um so viel wie möglich zu schaffen. Zunächst erklimmen wir den Hügel im Süden Bursas. Von dort aus haben wir einen beeindruckenden Ausblick über die Stadt und das umliegende Land. In der Innenstadt war es sehr voll, die Stimmung auf den Märkten kannten wir schon aus Istanbul. Bis auf sporadisch getragene Masken gibt es keine Anzeichen dafür, dass auf der Welt eine Pandemie wütet. In dem bekannten Bazar der Stadt befanden sich hauptsächlich Juweliere, das vom Goldschmuck reflektierte Licht verbreitete in der Halle einen goldenen Schein, der eine unwirkliche Auswirkung auf die Atmosphäre hatte.

Um auch unserer Bildung einen Gefallen zu tun, haben wir neben der Grünen Moschee auch die große Moschee im Zentrum besucht. Dort befindet sich in der Mitte ein Springbrunnen, der ausschließlich Männern als Waschplatz für Füße, Gesicht und Arme dient. Auf unserer weiteren Wanderschaft durch die Stadt haben wir die Irgandibrücke besucht. Die bezaubernde kleine Brücke beherbergt einige Kunsthandwerkgeschäfte, die sich in gelben Häuschen rechts und links einer kleinen Gasse befinden. Andi hat mir dort ein sehr schönes Armband aus steinernen Perlen geschenkt. Außer diesem Geschenk für mich haben wir auch für unsere Eltern das ein oder andere Geschenk aufgetan. Noch am gleichen Abend haben wir das 7 kg schwere Paket gepackt, das wir am nächsten Tag mit der türkischen Post auf den Weg nach Deutschland schicken wollten.

Unser nächstes Ziel ist das nur 25 km entfernte Mudanya, dort sind wir mit Selcen verabredet, die uns für die folgende Nacht aufnehmen wird. Da es nicht so weit war und das Wetter so schlecht, dass wir auch nicht besonders motiviert waren aufzubrechen, sind wir auch nach Abgabe des Paketes noch einige Stunden geblieben. Zum Abschied am Nachmittag haben wir Muruvvets Katze ein Spielzeug geschenkt, das uns mindestens genauso viel Spaß gemacht hat, wie ihr.

Schließlich sind wir dann doch losgefahren und haben nach nur kurzer Zeit den späten Aufbruch bereut. Bereits bevor wir den einen Berg auf dem Weg erklommen haben, war es dunkel. Mehrere Male wurden wir von Autofahrern angehalten, die uns erklärten, dass es nicht möglich sei den Berg zu überqueren. Tatsächlich lagen oben beinahe 10 cm Schnee, die das Fahrradfahren extrem erschwerten. Oben angekommen, machten wir uns umgehend an die Abfahrt. Schnee und Regen waren in den Augen und auf der Haut sehr unangenehm.

Endlich angekommen, waren wir klatschnass und durchgefroren. Zum Glück bekamen wir einen buchstäblich warmen Empfang. Eine heiße Dusche und Köfte mit Ofengemüse vertrieben den Rest der klirrenden Kälte aus unseren Körpern. Andi und ich haben ziemlich schnell das Angebot nicht nur eine, sondern zwei Nächte zu bleiben, angenommen. Am nächsten Tag haben wir die Stadt und die Promenade besucht. Wir haben uns den ganzen Tag lang über unsere Pläne für die Zukunft und das Baby unterhalten. Wie überall an der Küste gab es auch hier viele Angler, die offensichtlich reichlich Fische aus dem Marmarameer holten. Im Sinne von Corona wurden aber durch die Stadtverwaltung Maßnahmen ergriffen die das Ansteckungsrisiko senken sollten.

Zum Abendessen bedanken Andi und ich uns mit Pestohühnchen und Salat für die Gastfreundschaft von Mutlu und Selcen. Wir verstehen uns mit den beiden sehr gut und unterhalten uns auch über Religion und Politik. Am nächsten Tag schaffen wir es relativ früh aufzubrechen. Nach einem alternativen Porridge mit Chiasamen und Kokosöl fühlen wir uns gestärkt genug, um uns auf den Weg nach Bandirma zu machen. Von unserer Route aus können wir Armutlu sehen, die Stadt, die wir vor Gemlik bereits besucht haben.

Kurz vor der Dämmerung erreichten wir das etwa 60 km entfernte Dorf Ekmekci. Dort haben wir nach einem Ort für unser Zelt gefragt. Angeboten wurde uns im Teehaus zu übernachten. Dort hat der Wirt den Ofen befeuert, um den Raum für uns anzuheizen. Zum Abendessen brachte einer der Männer Essen von Zuhause mit. Eine große Portion Hühnchen mit Kartoffeln, Reis und Brot und einer Portion Nachtisch pro Person. Satt und zufrieden breiteten wir unsere Isomatte neben dem Ofen aus und freuten uns auf die warme Nacht. Am Morgen hat uns der gleiche Mann zum Frühstück abgeholt und mit nach Hause genommen. Dort haben wir seine Frau und Kinder kennengelernt, die uns sofort liebevoll aufgenommen haben. Da es den ganzen Tag regnen und gewittern sollte, überzeugten sie uns unser Treffen mit unserem Host in Bandirma um eine Nacht zu verschieben und den Tag und die kommende Nacht bei ihnen zu verbringen. An diesem gemeinsam verbrachten Tag, sind wir unserer Gastfamilie immer näher gekommen. Besonders Gizem und Ismigül haben wir sehr ins Herz geschlossen. Wir haben gemeinsam gestickt, gespielt, die Nachbarn zum Tee besucht und gegessen. Wir haben versprochen wiederzukommen und ihnen unser Baby vorzustellen.

Am nächsten Morgen mussten wir los. Bei der Verabschiedung habe ich Hausschuhe, Tücher und einige Kleidungsstücke für das Kind bekommen. Unter Tränen haben wir Ekmekci verlassen und uns auf den 55 km weiten Weg nach Bandirma gemacht. Die Bundesstraße war beinahe vollkommen leer, die Sonne schien und es gab kaum Höhenmeter auf unserem Weg. Wir waren also schnell unterwegs. Auf dem Weg sind wir bei einem Geschäft vorbei gekommen, dass offensichtlich einem sehr patriotischen Türken gehört.

Am Nachmittag schlugen wir bei Younes auf, anders gesagt wir haben marokkanisches Staatsgebiet betreten. Inklusive marokkanischem Essen, Musik und Gesellschaft. Am folgenden Morgen haben wir Younes gefragt, ob wir noch eine Nacht bleiben können und er hat uns eingeladen zu bleiben so lange wir wollen. An unserem gewonnenen Tag haben wir gemeinsam mit unserem Host einen Spaziergang unternommen. Younes hat darauf bestanden seinen Kater Paco in einer Box mitzunehmen damit er ab und an einen anderen Eindruck hat, als die Innenansicht der WG.

Morgens brachen wir nach Biga auf, auch dieses Mal wählen wir kleine Straßen und verzichteten darauf die große Bundesstraße zu nehmen. Zu unserer großen Freude waren bisher sogar die kleinen Dorfstraßen gut asphaltiert und befahrbar. Auf unserem Weg in Richtung Biga war es ebenso.

Am ersten Abend treffen wir in einem kleinen Dorf Sibel und Ömer, die uns zum Abendessen und einer Übernachtung einladen. Ihre Nachbarin und ein Freund kommen zu Besuch, um uns kennenzulernen. Wir haben einen unterhaltsamen gemeinsamen Abend und eine erholsame, warme Nacht. Am folgenden Morgen können wir uns nur mit dem Versprechen loseisen, dass wir sie erneut besuchen, wenn das Baby geboren ist.

Wir planten bis nach Biga zu fahren, kamen allerdings nur knapp 30 km weit. An einem malerischen See rief uns Abdullah von einer Weide aus zu, dass wir komme sollten. Wir hielten an und gingen zu ihm. Er zeigte uns zwei frisch geborene Geißlein. Die Nabelschnur hing noch aus der Mutterziege, die gerade angefangen hatte ihre Babys zu säubern. Der Hirte hat eines der beiden weiblichen Geißlein nach mir Toni genannt und das andere Tüli. Andi durfte Abdullah dabei helfen den kleinen Ziegen das Trinken beizubringen. Dann hat Abdullah uns zum Tee eingeladen. Während er den Tee vorbereitet hat, haben Andi und ich die Aufgabe bekommen vier verwaisten Geißlein mit Milch zu füttern.

Zum Abendessen hat unser Gastgeber uns mit zu seinem Freund und Nachbarn Ömer genommen, der als Fischer arbeitet und für uns alle frischen Fisch zubereitet hat. Mit Hilfe des Googleübersetzers unterhalten wir uns über unsere Reise. Ömer bietet uns an am nächsten Tag mit ihm die Netze auf dem See einzuholen. Wir nehmen an und freuen uns darauf seinen Alltag kennenzulernen.

Am nächsten Morgen fuhren wir von Ömer zurück zu Abdullah. Leider war es sehr windig und wir konnten erst gegen Mittag zum Fischen aufbrechen. Zum Entenschießen sei es zu windig, sagte Ömer, also müssten wir das auf das nächste Mal verschieben, wenn wir zurück in die Türkei kommen. Trotzdem brachen wir schließlich auf. Laut Ömer war der Fang des Tages sehr gut. Wir freuten uns für ihn und werden die Erfahrung sicherlich nie vergessen.

Nachmittags gingen wir mit Abdullah spazieren. Wir wurden von Großer Kopf, seinem acht Wochen alten Kangalwelpen begleitet. Großer Kopf ist wirklich niedlich und sehr pflichtbewusst beim Hüten der Herde. Später fahren wir mit den Fahrrädern ins nächste Dorf um dort Abendessen zu kaufen und Tee zu trinken. Der See bei Abdullah ist schon tagsüber wunderschön, aber während die Sonne sich dem Horizont zu neigt, offenbart sich eine neue Dimension der Schönheit.

Die Nacht verbrachten wir in Abdullahs Hütte. Dort war es einfach, aber warm. Zum Abendessen gab es Gemüse und Obst, was eine nette Abwechslung von dem typischen türkischen Essen war. Am kommenden Morgen haben wir uns schließlich doch auf den Weg nach Biga gemacht. Dort waren wir mit Abdullahs Mutter verabredet, die uns eine Nacht lang in ihrer Wohnung beherbergen wollte. Auf dem Weg lernten wir in einem kleinen Laden den Besitzer kennen, der mehrere Jahre in Deutschland gelebt hat. Er hat uns gebeten wiederzukommen sobald es uns noch einmal in die Türkei verschlägt. Dann sollen wir aber im Juni kommen, Freunde mitbringen und mindestens eine Woche zum BBQ bleiben.

Abends haben wir bei Abdullahs Freund Ahmed gegessen und gewartet bis wir von Abdullah abgeholt und zu seiner Mutter gebracht wurden. Wir sind am folgenden Morgen früh aufgestanden, um unsere Reise über die Bundesstraße nach Canakkale anzutreten. Glücklicherweise war die Bundesstraße an Wochenenden wegen der Ausgangssperre ausgesprochen leer und die Fahrt ist recht angenehm. Gegen Mittag machten wir eine Pause auf einer interessanten Bank.

In der Nacht verstecken wir uns an einem Brunnen zwischen Meer und Bundesstraße. Wir hofften inständig ausnahmsweise nicht eingeladen zu werden und eine gute Mütze Schlaf zu bekommen. Wir hatten Glück mit diesem Vorhaben und konnten am nächsten Morgen frisch aufbrechen. Nach nur wenigen Kilometern trafen wir beim Einkaufen einen anderen Radreisenden aus Deutschland. Wir sind einige Kilometer zusammen gefahren, bis wir in die Stadt abgebogen und er einen Zeltplatz auf dem Autobahnkreuz gesucht hat.

Kurz bevor wir den letzten Hügel vor Canakkale erklommen haben, sahen wir unsere ersten Kamele. Ein Mann ist mit ihnen spazieren gefahren und hat sie an einem der vielen Brunnen getränkt. Wir haben uns gefragt, ob diese beiden auch erfolgreiche Kamelkämpfer sind. Für alle Besserwisser unter euch: ja, es sind Dromedare.

Noch während des Anstiegs begann die Sonne sich dem Horizont zuzuneigen. Wir legten einen Zahn zu und buchten uns für drei Nächte ein Hotel in der Stadt. Die letzten Kilometer erwiesen sich als sehr anstrengend mit einer Menge Gegenwind. Trotzdem haben wir es noch während der Dämmerung in die Stadt geschafft. Wir konnten auf dem Weg sogar einen Blick auf die Originalrequisite aus dem Film Troja werfen. Sehr gerne hätten wir ein paar Aufnahmen mit der Drohne gemacht, aber da es dort verboten war und wir sogar ein Militärgebiet passiert haben an welchem Schilder nochmal ausdrücklich das Drohnefliegen verboten haben, verzichteten wir darauf.

Als wir endlich am Hotel angekommen sind, haben wir uns erschöpft ins Bett gekuschelt. Jetzt sind wir gefühlt auf dem Rückweg nach Europa. Es ist bis zur bulgarischen Grenze nicht mehr allzu weit. Aber noch genug Zeit für einige spannende Erlebnisse in der Türkei.